The Murder of Roberto Calvi

Willkommen zurück zu Nightingales Night Tales, der Kolumne, in der es um mysteriöse Fälle, ungelöste Rätsel und seltsame Vorkommnisse geht. Heute handelt es sich um zwei vermeintliche Morde, bei denen es um den Vatikan, die Mafia oder eine geheimen Organisation gehen könnte. Doch bevor wir Anfangen noch eine Triggerwarnung an meine Leserschaft: Die Story behandelt Mord und Suizid!

Wie auch beim letzten Nightingales Night Tales findet einer der Morde in London statt. Doch begonnen hat alles in Italien. Heute geht es um Mord an Roberto Calvi und seiner Sekretärin.

Roberto Calvi war ein 62 Jahre alter Herr und Vorsitzender einer italienischen Bank. Während 1978 hat die italienische Zentralbank einen Bericht über die damalige zweitgrößte Privatbank des Landes veröffentlicht: die Bank »Banco Ambrosiano«. Jene Bank soll umgerechnet 27 Millionen Dollar illegal ins Ausland transferiert haben, was dazu führte, dass eine vollumfängliche Untersuchung der italienischen Polizei durchgeführt wurde. Calvi wurde daraufhin 4 Jahre lang in Haft gestellt und erhielt eine Strafe von 20 Millionen Dollar.
Dies ist zwar alles schön und gut, aber mysteriös ist der Fall natürlich bisher nicht. Interessant wurde es erst nach der Freilassung Calvis. Trotz seiner Gefängnisstrafe hatte er seinen Posten bei der Bank behalten und wurde sogar frühzeitig entlassen. Mitglieder seiner Familie glauben bis heute, dass man ihn zu den Geldbewegungen gezwungen hat oder er vielleicht nicht einmal davon wusste.
Im Jahr nach seiner Entlassung hat Calvi einen Brief an den damaligen Papst John Paul II. geschrieben. In dem Schreiben soll er geschildert haben, dass der nahende Zusammenbruch der Bank für den Vatikan verheerende Folgen haben und im Allgemeinen zu einer finanziellen Katastrophe im Land führen wird. Der Brief deutete stark darauf hin, dass Beamte sowohl in der »Banco Ambrosiano« als auch im Vatikan wirklich wussten, was passieren wird. Der Vatikan war der größte Anteilseigner der Bank Ambrosiano und während des Kollapses der Bank wurden Schulden in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar entdeckt, inklusive Schulden an die italienische Mafia.
Am 10. Juni 1982, 5 Tage nachdem er den Papst kontaktierte, verschwand Calvi aus seinem Apartment in Rom. Er nutzte einen falschen Pass und flog nach London. Calvis private Sekretärin, die damals 55 jährige Graziella Corrocher, schrieb kurz daraufhin einen vermeintlichen Abschiedsbrief, indem sie Calvi dafür verurteilte, welchen Schaden dieser an Ambrosiano und damit den meisten Angestellten verursacht hat. Graziella wurde kurz darauf tot aufgefunden. Offiziellen Berichten zu Folge soll sie selbst aus dem 5. Stock in den Tod gestürzt haben. Der Fall wurde allzu schnell als Selbstmord deklariert.

Am folgenden Tag verließ Calvi seine Wohnung in Chelsea, einem Stadtteil Londons. Er aß zu Mittag und wollte einen Spaziergang an der Thames machen. Das war das letzte Mal, dass man ihn lebend gesehen hatte. Er wurde am Morgen des 18. Juni 1982 tot aufgefunden – hängend unter der Blackfriars Bridge nahe des Finanzdistrikts Londons. Er hatte etwa 15.000 Dollar in drei verschiedenen Währungen bei sich. In seiner Kleidung wurden zusätzlich Ziegelsteine gefunden.

Ermittler brauchten nicht lange, um den Toten zu identifizieren. Die Ermittlung lief kaum mehr als einen Monat. Die offizielle Todesursache war auch hier Suizid. Die Familie Calvis konnte oder wollte dies nicht glauben und heuerte den Anwalt George Carman an. Dieser schaffte es, das ursprüngliche Urteil anzufechten, und öffnete den Weg einer gründlicheren, privaten Untersuchung.
In 1991 engagierte Calvis Familie einen Privatermittler namens Jeff Katz an, welcher einige forensische Tests an Calvi und den Gegenständen, die er bei sich trug, durchführte. Obwohl Calvi bei seinem Tod einige Ziegelsteine in seiner Kleidung mit sich führte, fand man an seinen Händen keine Rückstände dieser Steine. Zudem entdeckte der Ermittler Verletzungen an Calvis Hals, die nicht infolge des Hängens aufgetreten sein konnten. Zuletzt hatten Calvis Schuhe auch keine Spuren von Rost oder der Farbe der Brücke, an der er hängend aufgefunden wurde. Ein Mann in seinem Alter und mit seiner geschwächten Gesundheit hätte es auch nicht selbst geschafft, sich an dieser Stelle zu erhängen. Der Ermittler fand sogar heraus, dass der Wasserstand der Thames zum Zeitpunkt des Todes hoch genug war, um mit einem Boot unter der Brücke den Toten aufzuhängen. Calvi wurde also ermordet und der Tod wurde so inszeniert, als wäre es ein Selbstmord gewesen. Doch wer hat es getan?

Bevor Calvi aus Italien floh, verhielt er sich, als hätte er Angst um sein Leben. Einer der Gründe war wahrscheinlich, dass die Bank Ambrosiano die italienische Mafia als Kunden hatte. Diese nutzen die Bank zur Geldwäsche und Calvi war ein integraler Bestandteil jenes Geschäftes. Einige Theorien handeln davon, das sich Calvi entweder selbst am Geldwäschegeschäft bereichert hatte oder zumindest davon wusste. Außerdem soll er Insiderwissen über korrupte Aktivitäten hochrangiger Politiker und Beamte des Vatikans gehabt haben.
Doch die Mafia und der Vatikan waren nicht die Einzigen, mit den Calvi Verbindungen hatte. Er war zudem Mitglied der italienischen Freimaurerloge, die sich selbst »frati neri« nannten, die schwarzen Brüder. Im Englischen auch Black friars. Und auch diese Gemeinschaft war ein großer Kunde der kollabierten Bank. Des Weiteren, wie der aufmerksame Leser es vermutlich schon erkannt hat: Die Brücke, an der Calvi erhängt wurde, hieß ebenfalls Blackfriars Bridge.

Wer Calvi ermordet hat, ist bis heute unklar. Klar ist nur, dass Calvi einflussreich war. Mit einflussreichen, und vor allem gefährlichen, Freunden innerhalb der Mafia, einer Splittergruppe der Freimaurer und letztendlich sogar mit Verbindungen zum Vatikan. Vielleicht wurde Calvi verantwortlich für den Fall der Bank gemacht, vielleicht hat er sich Geld eingesteckt, das gefährlichen Freunden gehörte. Vielleicht wusste Calvi am Ende auch einfach zu viel. Wer es war, werden wir am Ende wohl nie erfahren …

[E. Nightingale]

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